Systemische Beratung und Therapie für Paare, Familien und Einzelne:
Was ist systemische Beratung und Therapie / Familientherapie?
Vorab ein paar kurze Anmerkungen für Eltern (und solche, die es werden wollen):
Eine kurze Übersicht zur historischen Entwicklung systemischer Beratung/Therapie:
In den 1960er Jahren hat ein neues Paradigma viele Wissenschaftsbereiche (Sozial-, Geistes- und Natur-wissenschaften) mehr oder wenige gleichermaßen erfasst. Die zuvor wesentlich analytisch verstanden Wissenschaft - vgl. den sog. kritischen Rationalismus - pflegte ihre Kenntnisse aus Ursache-Wirkungsbeziehungen und hierauf aufbauenden Gesetzlichkeiten zu formulieren. Ein schönes Beispiel stellt das Gesetz des freien Falls dar: Berücksichtigt werden nur wenige Variable (und einer berechneten Konstanten für die Erdanziehungskraft).
Sozialen bzw. sozialwissenschaftlichen Aufgabenstellungen wird diese Denkweise jedoch nur selten gerecht. Wir haben es mit vielfältigen Faktoren, Einflüssen und also komplexen Bedingungen zu tun. Gemeinhin wird von einer Kybernetik 1. Ordnung (Regelkreismodelle, die z.B. in der Organisationsberatung und in der Ernergietechnik hilfreich sind) und einer Kybernetik 2. Ordnung (Beziehungen als Wirklichkeitskonstruktionen) ausgegangen. In meiner Disziplin, der Soziologie, stellen Talcott Parson und Niklas Luhman die Protogonisten dieser aufeinander folgenden Ansätze dar. Wobei leider anzumerken ist, dass beide sehr kopflastig geendet sind.
Die systemische Beratung und Therapie entwickelte sich wesentlich aus verschiedenen Formen der Familientherapie der 1950er und 1960er Jahre. Prominente Vertreter waren in Deutschland z.B. Horst-Eberhardt Richter und Helm Stierlin. Für die frühen Entwicklungen in den USA stehen z.B. Salvador Minuchin, Carl A. Whitaker und Virginia Satir. Wichtige Entwicklungen fanden in den siebziger und achtziger Jahren in Italien statt (sogenanntes Mailänder Modell - hier insbesondere Luigi Boscolo und Gianfranco Cecchin, als Nachfolger von Mara Selvini-Palazolli).
In Deutschland fanden um 1980 und nachfolgend lebhafte Debatten zwischen den verschiedenen Schulrichtungen bzw. psychotherapeutischen Schulen statt. Vergleiche hierzu beispielsweise Dagmar Hosemann, Jürgen Kriz und Arist von Schlippe (Hrsg., 1993): FamilientherapeutInnen im Gespräch.
Es gibt einige Entwicklungen, die mir wesentlich durch die methodische Entwicklung des Mailänder Modell anschaulich werden. Anstelle von für die Klienten häufig nicht nachvollziehbaren Interventionen entwickelte sich eine eher kooperative Arbeitsweise (zirkuläres Fragen, Umdeutungen bzw. Refraiming u.a.). Systemische Therapeuten stehen nunmehr nicht über dem System Familie - sondern verstehen sich als Teil desselben. Sie tragen ihre Gedanken, Ideen und Assoziationen bei und überlassen es ihren Klienten, Anregungen hinsichtlich des Nutzens zu bewerten und ggf. umzusetzen (auszuprobieren). Neben den systemisch-konstruktivistischen Ansätzen (vgl. Boscolo & Cecchin u.a.) erscheinen mir in der weiteren Entwicklung der lösungsorientierte Ansatz (Steeve de Shazer und I. Kim Berg) und insbesondere die Technik des "Reflekting Team" (T. Andersen u.a.) relevant. Viel Aufmerksamkeit findet weiterhin der hypno-systemische Ansatz (z.B. Gunther Schmidt) und auch die Fortentwicklung der Familienskulpturarbeit von Virginia Satir als sogenannte "Familienaufstellungen". Damit sind frühere Ansätze systemischer Praxis (z.B. Salvadore Minuchin oder Helm Stierlin) jedoch nicht überholt - vielmehr baut der konstruktivistische Ansatz hierauf auf.
Der Paradigmenwechsel ist radikal (seit ca. 40 Jahren - und in Deutschland noch immer virulent) - insbesondere in Abgrenzung von tiefenpsychologischen bzw. psychoanalytischen Ansätzen. Das zentrale Konzept der systemischen Beratung und Therapie ist es, Probleme nicht als Störung eines einzelnen Menschen zu begreifen, sondern als Folge einer Störung im sozialen Umfeld des Individuums. Systemische Ansätze haben sich seit mehreren Jahrzehnten bewährt und genießen inzwischen - auch und sogar in Deutschland mit seiner Standespolitik - die offizielle wissenschaftliche Anerkennung.
Anders als etwa die Psychoanalyse fokussieren Systemiker auf das aktuelle Geschehen, auf bestehende Beziehungen und deren Dynamik. Systemische Arbeit versteht sich als ressourcen- und lösungsorientiert und sucht gemeinsam mit den Klienten Wege, um die vorliegenden Lebenssituation besser zu bewältigen und Chancen zu eröffnen. Die gemeinsame Arbeit begrenzt sich häufig auf wenige Termine bzw. erfolgt ggf. auch niederfrequent, also auf Wunsch und Anfrage des Klienten über längere Zeiträume mit bspw. monatlichen Kontakten.
Die Ausbildung zum Systemischen Therapeuten / Familientherapeuten habe ich beim BiF - Berliner Institut für Familientherapie und bei der GST - Gesellschaft für Systemische Therapie und Beratung wahrgenommen. Diese Ausbildung wurde zertifiziert von der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V. (DGSF)
© Dr. Herwig Grote